Podcast mit Publikum mit Michael Schratz

Show notes

Folge 13 Lässt sich "Lernen" begleiten?

Wir haben eine neue richtig spannende Folge unseres Podcasts mit Publikum für euch. Zu Gast war nämlich Michael Schratz, den wahrscheinlich Viele von euch als ehemaliges Jury-Mitglied des Deutschen Schulpreises kennen und für seine Arbeit an der Uni Innsbruck im Bereich Bildungswissenschaften und Schulpädagogik.

Michael hat uns von seiner faszinierenden Arbeit an der Leadership Academy in Österreich erzählt, einem Projekt, das 6000 Schulleiter:innen basierend auf der Theorie U innovationsfähig machen sollte, und vom Buch "Führen mit Präsenz und Empathie", das er mit Wilfried Schley geschrieben hat.

Richtig spannend wurde es, als wir uns gemeinsam kritisch über den Begriff der Lernbegleitung unterhalten haben, was ja eines der zentralen Anliegen von uns bei der LernKulturZeit ist. Michael hat Silke ordentlich auf den Zahn gefühlt und dadurch entstand ein sehr anregender & fruchtbarer Austausch, auch mit anderen aus dem Bildungscafé, die sich tollerweise mit ihren persönlichen Perspektiven eingeklinkt haben. Genauso das macht das Bildungscafé und diese Podcastfolgen für uns so besonders!

Lasst euch von Michaels Blickwinkel und der Idee des "Widerfahrenen" im Lernen inspirieren. Hört rein und entdeckt neue Impulse für die Gestaltung der Bildungslandschaft!

Show transcript

Bildungscafe 16.07.25 mit Michael Schratz Audio

[Silke Weiß]

Ich möchte ganz herzlich Michael Stratz hier begrüßen. Hallo Michael.

[Michael Schratz]

Hallo Silke, schöne Grüße aus Innsbruck.

[Silke Weiß]

Schön, dass du heute da bist. Für alle die, die dich eventuell nicht kennen, was ja sehr schade ist, stelle ich dich kurz vor, du warst in deinen Uni-Jahren an der Uni Innsbruck unter anderem und warst für Bildungswissenschaften und Schulpädagogik. Da hast du dich stark gemacht und hast gelehrt und ein ganz spannendes Projekt.

Da kommen wir gleich nochmal kurz dazu. Du warst auch bis letztes Jahr noch in der Jury des Deutschen Schulpreises, hast also die Schulpreisschulen mit ausgewählt. Ich würde mal sagen, du kennst dich ein bisschen aus.

Und ein Thema, was dir sehr am Herzen liegt, das ist Leadership. Weil wir wissen ja oft, man sagt so ein bisschen läppisch in Hetten, der Fisch stinkt vom Kopf. Wenn man das sonst auch sagt, aber wenn die Führung nicht im Boot ist, dann wird es mit dem Wandel im Schulsystem ein bisschen schwierig.

Und das ist, das will ich gerade nochmal zeigen, das letzte, die jüngste oder fast die jüngste Publikation, die gibt es jetzt schon in der zweiten Auflage. Führen mit Präsenz und Empathie, das hast du noch mit Willi Schley zusammengeschrieben. Mit dem hast du auch ein ganz spannendes Projekt in Österreich gehabt.

Vielleicht darf nur die erste Frage um ein bisschen Hintergrund wissen. Was war das denn für ein spannendes Projekt? Ich weiß, es war eine Bildungsministerin.

[Michael Schratz]

Es war eine Ministerin, das war um die Jahrhundertwende, also Anfang 2000. Die hatte einfach Probleme, über die Schullaufsicht Top-Down-Innovationen in das System zu bringen. Und dadurch, dass ich mich, und das war interessant, 20 Jahre vorher hatten wir die ersten Schulleiterinnen und Schulleiterseminare gemacht.

Die mussten wir noch katakombenmäßig im Untergrund machen, weil damals war es politisch gar nicht gewünscht, sozusagen, weil Schulleitung sollte werden, wer von der Partei her oder von der institutionellen Voraussetzung her dienen sollte. Da ging es ja eher um Schule verwalten und nicht gestalten. Und wir haben uns damals immer gesehnt, wenn wir nur Zugang zum gesamten System hätten, dann 20 Jahre später kommt die Ministerin und sagt, ich soll ein Konzept bringen, wie man 6000 Schulleiterinnen und Schulleiter innovationsfähig macht.

So viele Schulen gibt es nämlich in Österreich. Und alle, die ich angesprochen habe, ihr könnt es als Gedankenexperiment ja selber überlegen, was würdet ihr tun, wenn ihr dieses Angebot bekämet? Wie eignet sich ja Lärmbegleitung jetzt, um 6000 Führungspersonen innovationsfähig zu machen?

Und dann habe ich Kollegen gefragt, was würdet ihr tun? Die haben alle die Hände über den Kopf zusammengeschlagen, weil damals war es so, man hatte eine maximale Personengruppe von 20 Leuten und zwei Trainer, das war das Maximum, da haben wir uns immer stark gemacht. Und da kommt man natürlich nicht auf die Zahl 6000.

Und das war sozusagen der Beginn. Und dann habe ich Wilfried Schley, der kommt ja aus der Schule von Schulz von Thun, hatte selber ein Institut für Organisationsentwicklung in Hamburg, war inzwischen an der Uni Zürich. Und wir haben dann, so wie es klassisch beginnt, bei einem Glas Wein auf einer Serviette sozusagen das Konzept für die Leadership Academy erstellt.

Und dazu kommt noch diese Anfrage, das war ungefähr Ostern des Jahres, ich glaube 2001 oder 2002. Und wir sollten im September beginnen, jetzt könnt ihr euch vorstellen. Und wer weiß, wie lang es normalerweise im Ministerium geht, bis irgendeine Innovation über Verordnung ins System kommt, war das damals schon etwas Besonderes.

Aber was, und das Buch ist daraus entstanden, weil wir dort ein Konzept, wir brauchten natürlich ein Theorieverständnis, wie wir Veränderung herbeiführen wollen. Sonst hat man subjektive Theorien, aber wir wollten natürlich schon auch eine wissenschaftliche Theorie und sind dann auf Klaus-Otto Scharmer gestoßen, der Führen aus der entstehenden Zukunft propagiert hat. Wir haben ihn auch eingeladen, gibt es auch Videos auf YouTube von ihm, wie er das bei uns darstellt.

Und daraus ist dann Führen mit Präsenz und Empathie entstanden, um wieder zu dir und dem Buch zurückzukommen.

[Silke Weiß]

Ja, eine bewegte Geschichte. Und ihr habt ja auch tatsächlich etwas bewegt in Österreich. Die 6000 sind es nicht ganz geworden, wir haben vorhin gesprochen, 3000 Schulleiter habt ihr fortgebildet.

[Michael Schratz]

Wir hatten dann einen Bundeskanzler, Kurz hieß der, vielleicht haben einige von euch gehört, das war so einer dieser Juppies, die da jung alles besser wissen und die hat gesagt, das muss sozusagen alles so sein, wie er sich das wünscht. Und da gab es wieder Top-Down-Bewegungen im Ministerium. Unsere Leadership Academy war eine Bottom-Up-Bewegung.

Ihr müsst euch vorstellen, wir haben gesagt, wie viele können wir auf einmal einsetzen und haben gesagt, auch von den Raumgrößen her, 250 mal 300. Und das Tolle war, wir hatten Führungspersonen aus allen Schulformen, also von der Grundschule bis hin zur Oberstufe, berufsbildende Schulen etc. Dann hat die Schulaufsicht gesagt, ja, warum kriegen die was?

Die sind uns untergeordnet und wir kriegen das nicht. Dann haben wir gesagt, okay, nehmen wir die auch dazu. Dann hat die Ministerin gesagt, dann sollen wir aber die Ministerialbeamten auch dazunehmen, weil die brauchen das auch.

So hatten wir eine horizontale und eine vertikale Vernetzung und das war ganz toll. Einerseits, bei 250 Leuten, die zusammenkommen, hat man das Gefühl, ich bin Teil einer Bewegung. Wenn ich zu einer Demo gehe und es sind nur 20 Leute da, gehe ich am besten wieder nach Hause, weil da bewegt sich nicht viel.

Und so dieses Gefühl gemeinsam, dann zu erleben, quer durch alle Schulformen, wir wollen eigentlich alle dasselbe. Und dann in diesen kollegialen Teamcoachings, das war dann das Herz, wo es dann auch um die Person von jeder einzelnen Führungsperson gegangen ist, weil das ja immer sehr stark auch mit der Haltung zusammenhängt, haben dann beispielsweise eine Grundschulleiterin einen Ministerialbeamten gecoacht. Und normalerweise schimpft das Ministerium über die Schule, die Schule schimpft über das Ministerium und plötzlich sind die draufgekommen, die wollen eh alle dasselbe, nämlich das Beste für die Kinder.

[Silke Weiß]

Ja, ich glaube, das verbindet alle, die hier heute sind, dass wir das Beste für die Kinder wollen. Und du weißt ja, wir haben uns am letzten Wochenende gesehen, so als kleinen Einblick, wir hatten nämlich ein Netzwerktreffen, wir haben so ein kleines, feines Netzwerk oder eigentlich eine Allianz oder so ein Bündnis. Auf jeden Fall, wenn wir zusammen sind, mit der Kraft des Wir, also Market Rathsberg könnte da noch dazu, Herr Graf Greuninger, die Metazeit mit der Tina Schütze und andere noch, und dann planen wir immer ganz interessante Dinge.

Davon gibt es aber Ende des Jahres ein bisschen mehr zu hören, da verraten wir jetzt noch nichts. Also alle, die hier sind, sind ja mit dem Anliegen, glaube ich hier, dass wir das Beste wollen für die Kinder und das heißt ja auch Schule verändern. Die Kraft des Wir ist nicht die einzige Allianz, in der ich mich gerade befinde, wir haben ja seit neuestem eine Allianz zum Thema Lernbegleitung, also wie können wir diesen Beruf des Lernbegleiters noch ein bisschen publiker machen oder dieses Handlungsfeld.

Und Michael, du hast zugesagt, heute hier zu sein, mit der Erlaubnis, kritisch darauf zu gucken. Da habe ich gesagt, wunderbar, super, genau das brauchen wir, da mal kritisch drauf zu gucken. Aber ich fange selbst mal mit einer kritischen Frage an.

Du hast ja gerade erzählt, 3000 Menschen aus dem Schulbereich, also Schulleiter, aber auch aus der Verwaltung und Administration, haben an diesen Schulungen teilgenommen. Die habt ihr ja nicht unterrichtet. Und wenn du sagst, die haben sich gegenseitig gecoacht, dann hört sich das für mich eigentlich ziemlich so an, als wärt ihr die Lernbegleiter gewesen für diese Schulleiter.

Und das würde mich jetzt mal interessieren, wie du das siehst, also inwiefern habt ihr denn diese Schulleiter und diese Verwaltungsbeamten oder Menschen eben aus der Schulverwaltung begleitet oder unterrichtet? Wie würdest du denn da deine Rolle sehen? Und dann steigen wir mal ein zu dem Thema Lernbegleitung in der Schule.

[Michael Schratz]

Ja, also wir haben sie nicht begleitet, das können wir auch nicht, weil die waren ja immer nur drei, vier Tage da, dann sind sie wieder zurück. Sondern wir haben ein Konzept entwickelt, wie sie aus der inneren Quelle, wie Schama das sagt, neue Impulse schöpfen können. Und haben ihnen einerseits diese Theorie U als Grundlage gegeben, weil jeder hat entweder eine subjektive Theorie, aber wir haben eine bestimmte gehabt, weil wir gesehen haben, die meisten haben noch alte Theorien.

Es gibt Projektmanagement, dann setzt man sich Ziele und diese Ziele, aber die sind alle aus der Vergangenheit genährt. Und das Zweite war, dass wir versucht haben, diese entstehende Zukunft ihnen möglichst und sie sozusagen an die Grenze des Scheiterns zu bringen. Es gibt einen österreichischen Dirigenten, den ich sehr geschätzt habe, inzwischen ist er gestorben, Nikolaus Hanunkur, der hat gesagt, die Schönheit liegt am Rande des Scheiterns.

Das heißt, es gibt ja immer Arbeiten im System und Arbeiten am System. Wir sind ja Teil als Schule des staatlichen Schulsystems. Aber wie kommt es vom Fortschritt zustande, so wie wir damals im Untergrund unsere ersten Schulungen gemacht haben?

Indem wir überhaupt Bewusstsein geschafft haben, über was heißt es überhaupt führen und was für ein Leadership-Konzept haben sie. Das heißt, wir haben Angebote gemacht und versucht, diese möglichst so zu organisieren, dass sie gefordert waren. Also es war ein Fordern und manchmal sogar Überfordern.

Und die Frage ist ja für mich bei Lernbegleitung immer, lässt sich Lernen begleiten? Ich glaube, Lernen lässt sich nicht begleiten, sondern Menschen lassen sich begleiten. Und da würde ich eher sagen, wir haben Menschen begleitet auf einem Teil ihrer biografischen Entwicklung oder Professionalität.

Dann sind sie wieder weg und sind dann wieder gekommen. Und Lernen, da merke ich immer wieder, gibt es sehr unterschiedliche Vorstellungen. Und da haben wir zum Beispiel gefragt, was für ein Konzept von Lernen habt ihr?

Was habt ihr in der Lernbegleitung für ein Konzept von Lernen? Wenn ich rückfragen darf, dann verstehe ich es vielleicht besser. Kann jemand die Anwesenden des beantworten?

[Silke Weiß]

Ja, wir können den Raum mal öffnen für Stimmen aus dem bewährten Publikum. Ja, was für ein Konzept von Lernen steckt denn dahinter, wenn wir sagen, wir begleiten oder wir sind Lernbegleiter?

[Michael Schratz]

Das sind zum Beispiel so Fragen, die wir gestellt haben. Ich stelle sie jetzt euch, weil ihr habt ein Konzept, das Lernen begleiten soll. Und dann müsste ich wissen, weil ich sage, ich kann Menschen begleiten, aber ich kann nicht Lernen begleiten in meinem Verständnis von Lernen.

Darum bin ich neugierig, wie euer Verständnis von Lernen ist.

[Silke Weiß]

Ich mache mal einen Vorschlag, wir lassen die Frage noch so ein bisschen, ich sehe schon, dass es arbeitet in den Köpfen. Wir lassen die Frage mal ein bisschen brodeln und lauschen mal weiter deine Worte.

[Michael Schratz]

Ich bin ja groß geworden in meiner eigenen Ausbildung als Lehrperson in einem klassischen didaktischen Denken und bin dann in die Lehrerinnen- und Lehrerbildung gekommen und habe gesagt, die klassische Didaktik funktioniert immer weniger, je kurzlebiger die Lebenswelt der jungen Menschen ist. Und ich habe immer gesagt, die längste Entfernung in der Welt ist von dem, was in einem Policy Paper und in einem Lehrplan steht, bis hin zu dem, was bei den Schülerinnen und Schülern ankommt. Und das hat mich immer wieder beschäftigt, was trägt dazu bei, weil Menschen glauben, wie sie jemand anderem etwas beibringen können.

Darauf kommt auch die Didaktik, die Vermittlung. Und Vermittlung ist ja monodirektional. Das heißt, ich habe einen Input, den ich aus dem Lehrbuch oder Lehrplan übernehme, vom Inhalt, den ich vermitteln muss, und den versuche ich, möglichst den Schülerinnen und Schülern zu transferieren, transportieren oder was immer.

Ich zeige da gleich einmal, gehe einmal in eine Präsentation. Ich habe versucht, das einmal bildlich umzusetzen, weil ich immer glaube, dass Bilder oft mehr ausdrücken als nur Worte, wenn ich das jetzt teilen kann. Bei mir geht es immer ein bisschen langsamer, seht ihr das jetzt, Silke?

[Silke Weiß]

Ja, wir sehen das.

[Michael Schratz]

Ich habe gesagt, wir müssen weg von dieser Einseitigkeit. Es gibt nur eine Didaktik von der Lehrperson, sondern es gibt wie bei Flüssen ein Diesseits und ein Jenseits des Flusses. Das heißt, es ist immer ein gegenseitiges Beeinflussen und habe dann die Begriffe Lehrseits und Lernseits geprägt.

Und normalerweise, wie man hier auf diesem Bild sieht, hat die Lehrperson die Aufgabe für die Schülerinnen und Schüler im Fokus. Und die Aufmerksamkeit liegt auf der gelingenden Umsetzung des geplanten. Und die Rückmeldung erhalten die Schülerinnen und Schüler aus dem Erbringen des erwarteten Verhaltens.

Und das Schulleben ist geprägt durch das Muster, der Lehrer fragt oder gibt einen Input. Schüler, Schülerin antwortet oder bringt ein Ergebnis oder liefert etwas, was gefragt wird. Und Lehrperson beurteilt im Sinne von richtig und falsch.

Bei falsch kriegt man meistens noch eine zweite Chance. Oder wenn es dann eine Klassenwiederholung gibt, muss man noch einmal wiederholen. Oder irgendwann ist das Game Over.

Das war ganz spannend an einer Uni in Australien, die Aborigines-Lehrer ausgebildet hat. Dort funktioniert das zum Beispiel nicht, weil die haben ein ganz anderes Konzept. Die gehen sozusagen die Spuren ihrer Vorfahren ab, um sozusagen das aufzunehmen, was die mitgeben.

Und das Problem ist, die Lehrperson sieht den Schüler, die Schülerin als gegenüber. Und ich weiß nicht, ob jemand von euch Wolfgang Klavki gehört hat. Das war ein sehr bekannter Erziehungswissenschaftler, der in Marburg tätig war, habe ich noch als Student rezipiert und dann als Kollege erlebt.

Der hat gefordert, Kinder und Jugendliche als ganzheitliche junge Menschen zu verstehen, die auch in der Schule nicht nur Schüler sind. Wer junge Menschen in der Schule nur als Schüler betrachtet, versteht sie auch als Schüler nicht. Das heißt also, wenn ich hier nur meinen Schülerinnen als gegenüber sehe, komme ich praktisch gar nicht heraus aus dem Ganzen.

Und deswegen ist für mich der nächste Schritt, wenn ich noch einmal auf die vorige gehe, hier bringt die Lehrperson ja das ganze Fachwissen, die ganze pädagogische Erfahrung. Und das ist so ein Gewicht, dass die Wippe gar nicht auf die Lernseitigkeit kommen kann. Wenn ich einmal, und das ist sozusagen mein Ansatz, jetzt auf die Lernseitigkeit zu kommen, auf die Beziehungsebene gehe und ich komme von der Phänomenologie und Husserl, der Gründer der Phänomenologie, hat das Wort Epoche verwendet.

Das heißt einmal alles einklammern, was man selber weiß bereits und schauen, was die entstehende Zukunft bringt. Und ich gehe in Beziehung, und deswegen auch der Titel Führen mit Präsenz und Empathie, hin zu spüren, was braucht eigentlich dieser Mensch gegenüber. Jetzt bin ich nicht mehr in der Schüler- und Schülerinnen-Perspektive, sondern ich versuche wahrzunehmen.

Das Schöne in Margret Raßfelds neuem Buch Schuldrama, beschreibt sie ja, wie die Schülerinnen und Schüler darunter leiden, dass sie nicht wahrgenommen werden, im wahrsten Sinne des Wortes, um das Wort noch einmal herzunehmen. Und dadurch geht es hier um eine Achtsamkeit und nicht um eine vorgefertigte Vorstellung, was will ich meinem Gegenüber mitteilen. Dasselbe gilt eigentlich für die Partnerschaft genauso.

Wenn ich den Partner oder die Partnerin so haben möchte, wie ich sie möchte, dann werden wir Probleme haben. Sagt meine Frau inzwischen immer noch im Sinne der Lernseitigkeit in der Partnerschaft, wenn ich zu sehr auf meiner Seite der Schaukler dieser Wippe bin. Und jetzt kommt die Wippe ins Kippen, denn wenn jemand wahrgenommen wird, und wir haben hier auch, da kann ich später dann noch erzählen, wir versuchen jetzt ein KI-Konzept zu entwickeln, wie man in so eine lernseitige Haltung kommt.

Und die schon erwähnte Helga Breuninger hat ja viele Jahre lang als Lerntherapeutin gearbeitet mit schulversagenden Kindern und Jugendlichen. Und sie hat dann auch gesagt, wenn ich meine Diagnose mache, dann komme ich nicht zu den Menschen durch. Und erst wo sie dann wahrgenommen hat, dann sind die, und das ist der nächste Schritt, kommen sie ins Vertrauen.

Und sie fühlen sich wahrgenommen, die Schülerinnen und Schüler, und kommen in Kontakt. Und es wird ihnen getraut, aber auch zugemutet. Das ist das Wort Zumutung eigentlich, das ich auch vorher bei der Leadership Academy gesagt habe.

Wir muten denen auch was zu, was sie sich sonst vielleicht gar nicht zugetraut hätten. Ja, das ist sozusagen dann als nächste Phase. Jetzt haben die Schülerinnen und Schüler, sind sich ihrer Stärken und Ressourcen bewusst geworden, anstatt auf vermeintliche Mängel und Fehler reagieren zu müssen.

Und jetzt kann ich wieder zu den Inhalten zurückkommen. Jetzt ist die Bereitschaft da, sich tatsächlich einzulassen. Ich habe zum Beispiel jetzt neulich mit einer bosnischen Flüchtlingskind gesprochen, die gesagt hat, diese Lehrerin war für sie so toll, die hat ihr eine Buchwelt eröffnet, die sie vorher noch nie gehabt hätte.

Und so ähnlich, wenn ich Beziehung mit dem Inhalt jetzt in Verbindung bringe, dann habe ich sozusagen, und so hat es auch Helga Breininger gesagt, habe ich die Schülerinnen und Schüler getroffen. Ja, das ist sozusagen der Hintergrund. Und deswegen, jetzt komme ich wieder zurück auf das Begleiten.

Ich arbeite ja mit Lehrpersonen, die immer auf dieser Wippe sind. Wenn ich jetzt Lernbegleiter wäre, in der Terminologie, so wie ich sie verstehe, stehen die ja gar nicht auf der Wippe oben, sondern versuchen irgendwo, und darum habe ich ja gefragt, wie begleitet sie ja überhaupt lernen. Und was ich mir schon vorstelle, dass Lehrpersonen begleitet werden oder dass Schülerinnen und Schüler begleitet werden, denn die haben das bitter nötig, weil sie das selber gar nicht in der Lage sind, sozusagen tatsächlich auf diesen Weg zu kommen.

Vielleicht mache ich mal da einen kurzen Stopp, weil das ist für mich sozusagen mein Hintergrund, was Lernen anbelangt. Das ist sozusagen diese Erfahrung, die nie voraussehbar ist. Das heißt, phänomenologisch gesehen ist Lernen ein Widerfahrenes.

Es widerfährt mir was, was ich vorher noch nie erlebt habe, so wie dieses Kind sagt, wow, diese Bücher haben mir die Welt eröffnet. Ich mache mal Pause, dass ich nicht zu sehr ins Dozieren komme. Ich bin ja zum Kaffee eingeladen und nicht zum Vortrag halten.

[Silke Weiß]

Ich fand es erst mal sehr spannend und in mir so die Frage entstanden, vielleicht ist es eine Begrifflichkeit, weil ich kann mit vielem, was du gerade gesagt hast, total mitgehen in meinem Verständnis von Lernbegleitung. Vielleicht heißt es ja Menschenbegleitung beim Lernen. Aber gut, wir haben eine Meldung.

[Zuhörer 1]

Erst mal vielen Dank für die schönen Überlegungen, die die Beziehungsseite und die andere Seite des Lernens ein bisschen mehr aufmachen und uns sozusagen einladen zu schauen, wer ist das Ding, mit dem wir unseren Stoff oder unser Wissen angedeihen lassen wollen. Ich habe vorhin bei dem Begriff Lernbegleiter erst mal Erinnerungen bekommen an den Besuch an der Alemannenschule in Bad Oeschingen, die ja eben sehr stark die Kinder, zumindest diesen Hauptfächern, selbstständig lernen lassen möchte und wo der Fokus auf dem Coaching liegt. Also die Kinder bekommen den Stoff über das Digitale und werden dann begleitet und unterstützt und ermuntert und vielleicht auch gesehen und wahrgenommen im Coachinggespräch als Unterstützung.

Ich finde das insofern sehr interessant, weil ich grundsätzlich den Ansatz des selbstregulierten Lernens sehr spannend finde. Ich glaube, dass die Kinder da eben vielmehr ihr eigenes Lernen anfangen zu hinterfragen. Wenn man dann so Richtung Metakompetenzen kommt und auch Persönlichkeitskompetenzen gebraucht werden, um das Miteinanderlernen zum Beispiel zu organisieren oder mal was zu präsentieren und Mut zu haben dafür oder das eben vorzubereiten, aufzubereiten, dann kommt man ja auch ins Miteinander zum Beispiel.

Ich hatte den Eindruck, dass die Grundidee beim Lernen begleiten eher ist, auch eben auf das Wachstum in den Persönlichkeitskompetenzen zu schauen. Dann gibt es zwar immer noch den Stoff, da hatte ich gerade auch noch so einen Konflikt, weil ich habe zwei Fächer, einmal Religion, einmal Mathe. Mathe sehr strukturiert, wo man im Grunde den Stoff wirklich braucht und einen bestimmten Stoff auch braucht, damit es weitergehen kann.

Und Religion, wo man viel eher mal offen die Schüler machen lassen kann oder mit denen Fragen gehen kann und die selber entwickeln, etwas selbst entwickeln lassen kann, auch das Thema vielleicht einmal selbstbestimmt lassen kann und sozusagen dann wirklich als Begleiter im Leben stehen kann. Ich glaube, ich stoppe einfach mal an der Stelle, das war jetzt mal so ein bisschen mitgedacht. Also vielleicht als zusammenfassendes Statement, Lernbegleiter eher einer, der schaut, dass sich auch die Persönlichkeit, alles was so um die Soft Skills herum sich bewegt, dass sich das mitentwickelt und eben nicht nur auf den Stoff geguckt wird, sondern dass da sozusagen ein ganzheitliches Wachstum entstehen kann.

Und das sozusagen als Kernziel, dass man Schüler sozusagen natürlich auch in die Lage versetzt, sich Wissen anzueignen und Kompetenzen aufzubauen in fachlicher Hinsicht, aber eben immer auch im Blick hat, dass sie dabei etwas persönlichkeitsmäßig entwickeln können.

[Michael Schratz]

Danke, kann ich gut nachvollziehen oder mitvollziehen. Und was bei mir so was ausgelöst hat, wieder wo du gesagt hast, daneben stehen. Ich bin als Lehrperson immer, ich sehe Lehren und Lernen als Antwort geschehen, drum die Wippe.

Ich kann nicht von der Wippe runtergehen und sagen, die Schülerinnen und Schüler sollen jetzt selbst. Wer sitzt dann vis-a-vis? Sind es dann die Podcasts oder kommt jemand von euch als Lernbegleiterin und setzt sich jetzt auf diese Wippe?

Also ich habe diesen Ort für mich noch nicht geortet. Und bei meinen zwei Fächern, eines war Sport, da musste ich immer schauen, dass ich die Schülerinnen und Schüler sehr stark fordere, sich zu überwinden, weil die Schönheit liegt am Rande des Scheiterns. Sonst komme ich ja nicht weiter.

Und da war es natürlich auch leichter, weil so ähnlich wie in Religion, da ist die Beziehung einfach immanentes Prinzip. Da muss man sozusagen, ist die ganze Leiblichkeit da, nicht nur die kognitive Komponente. Hatte aber damals schon für mich die wichtige Aufgabe, damals hieß es noch Gesundheit, aber das Well-Being mit zu berücksichtigen.

Und ich habe dann bei einer Schulpreisschule gesehen, wo jeden Tag der Schulleiter mit den Schülerinnen gemeinsam in diese Leiblichkeit geht und sie in einen gemeinsamen Rhythmus gehen. Aber auch das würden die nicht als Begleitung sehen, sondern einfach als Teil ihres Verständnisses. In meinem zweiten Fach in Englisch, da war das etwas anspruchsvoller, weil sie diese Sprache ja nicht gekonnt haben.

Und ich musste ihnen sozusagen, ich musste sie in eine sprachliche Kompetenz bringen und wollte natürlich, dass die dann im Alltag, wenn sie nach England oder mit Engländern reden, tatsächlich ins Sprechen kommt. Auch da bin ich ihnen gegenüber und muss sie immer wieder konfrontieren. Und Sprache hat ja sehr viel mit Identität zu tun.

Und ich habe versucht, gerade Schülerinnen und Schülern, bei uns damals, als ich Lehrer war, gab es nicht so sehr Kinder, die aus dem Ausland kamen, sondern Kinder, die aus dem Land in die Stadt kamen und dadurch viel weniger kompetent waren, in sich zurechtzufinden im städtischen Bereich. Und ich habe eine Chance gesehen, den Kindern über die Fremdsprache eine neue Identität, eine neue Chance zu geben. Weil da waren plötzlich alle auf der gleichen Ebene.

Vorher waren die anderen den immer schon überlegen, weil sie eben ganz andere Voraussetzungen im Milieu im Leben hatten. Aber was ich sagen möchte, für mich ist immer als Lehrperson eine Auseinandersetzung mit der Welt und den Menschen, die in der Welt sind. Und ich bin immer ihm gegenüber, auch als Lehrperson.

Wenn jemand das begleitet, dann hilft es mir. Aber ich verstehe das ja so, ihr wollt den Begriff Lehrer durch Lernbegleiter ersetzen. Das würde für mich die Professionalität eher abwerten, denn ich tue viel mehr als begleiten.

Du hast Rubana in Wutöschingen erwähnt. Ich habe ihn neulich in einem Podcast gehört, in Nordrhein-Westfalen, wo ich genau hingehört habe, und er hat einmal von Lehrern, einmal von Coachen und einmal von Begleiten gesprochen. Das heißt, auch dort gibt es Phasen, wo die Lehrpersonen lernen.

Das sind diese kurzen Input-Phasen, die sie geben.

[Michael Schratz]

Die Schüler gehen ja dann an ihre Lernbüros und arbeiten. Und ganz wertvoll finde ich dann, wo sie dann mit den Schülern einzeln zusammensitzen, in diesen Coaching-Gesprächen, um zu schauen, wo ihr ... Aber auch da ist für mich genauer hinschauen, was brauchen die, wo fehlt es.

Und da muss ich mit Fachlichkeit natürlich schon auch nachkommen oder schauen. Meine Tochter ist Mathematikerin. Ich habe vieles überhaupt nicht verstanden, weil ich weiß nicht, woher das kommt, dass sie da so eine Expertise entwickelt hat.

Und in der Lehrerbildung habe ich auch gemerkt, dass Kollegen, die immer so von Reflexion gesagt, reflektieren, reflektieren, reflektieren, da habe ich schon gemerkt, dass Naturwissenschaftlerin, zum Beispiel meine Tochter, ganz anders reflektiert als ich als Geisteswissenschaftler. Und das wäre anmaßend sozusagen, das eigene Verständnis von Reflexion aufzudrängen. Das Erste war gleich einmal zu sagen, mit den Moderationskarten kannst du abfahren.

Mit dem brauchen wir nicht anfangen. Und das ist es, wo ich wieder beim Punkt bin, hinzuspüren, auch jetzt, obwohl ich euch ja nur als kleine Briefmarken große Köpfe hier sehe, hinzuspüren, wo seid ihr, was braucht ihr, was kann ich sozusagen nicht nur mitteilen, sondern mit euch teilen in einer Antwortbeziehung. Ich kann euch da auch weder begleiten noch sonst etwas, auch nicht lehren, sondern mich mit euren Gedanken konfrontieren und schauen, ob sie was auslösen.

Und dann, schlussendlich kann ich ohnehin den anderen nie beeinflussen, denn jeder Mensch ist nicht nur anders, sondern anders, anders. Und das ist, glaube ich, das große Problem, dass Lehrpersonen haben, weil sie immer den Schüler, die Schülerin. Und jetzt komme ich noch einmal zu diesem Bot, den wir da entwickeln.

Das Tolle ist, dass die Algorithmen in der KI plötzlich das Richtig und Falsch außer Kraft setzen. Da werden drei verhaltensoriginelle Schülerinnen und Schüler mit dem User in eine Art Escape Room gebracht. Und die Schüler machen überhaupt nicht mit.

Das sind drei sehr unterschiedlich programmierte Verhaltensauffälligkeiten, die halt Lehrpersonen so triggern. Und je mehr sie versuchen zu lernen, umso weniger gewinnen sie diese Schüler. Und da versuche ich sie über den Bot in die Lernseitigkeit zu bringen.

Und das ist so eine Art geschützter Raum, weil in der Klasse ist es ja sehr schwer, was auszuprobieren, was Verrücktes zu tun. Und da kann man was Verrücktes machen und schauen, was passiert. Und dann geht es darum, wie kriege ich diese Wippe zum Kippen.

Und das geht nur, wenn sie dann in Beziehung gehen und den Potenzialblick aufsetzen, wie das Helga Breininger sagt. Entschuldigung, jetzt ist es wieder so lang geworden. Aber Thomas, du hast das ausgelöst und du siehst, das ist ein Antwortgeschehen.

Und die Antwort ist gekommen aus mir heraus.

[Silke Weiß]

Ja, danke, Michael. Du hast in mir auch was ausgelöst. Ich will mal was versuchen.

Es ist mir etwas wie der Pan. Ich habe was gelernt, als du gesprochen hast. Ich würde mal sagen, du hast ja gefragt nach dem Lernverständnis.

Ich nehme erst nochmal den Stephan Ruppaner. Wenn man in der Anwanderschule ist, dann verstehen die ihre Lernbegleitung. Die haben da so ein Bild.

Der Lernbegleiter eröffnet ein Buffet und geht auch mit rum und sagt, das ist das, das ist das, das ist das und das schmeckt vielleicht so. Willst du mal probieren? Willst du vielleicht das mal probieren?

Jetzt hast du schon so viel von dem gegessen. Willst du vielleicht noch mal was anderes? Sonst wird es so einseitig.

Aber essen muss ja der Schüler selbst. Und das finde ich nochmal interessant. Also das eine ist die Lernbereitung oder Lernvorbereitung.

Also eine vorbereitete Umgebung schaffen ist das eine. Und das andere ist das Menschen begleiten. Also das Lernen vorbereiten und das Menschen begleiten.

Weil Lernen, du hast ja gesagt, es widerfährt mir etwas. Und gleichzeitig wissen wir auch aus der neueren Forschung, auch aus der Traumaforschung und aus der Psychologie, dass Lernen etwas damit zu tun hat, ob ich offen bin für die Welt. Also ob es in mir einen Raum gibt, der in Resonanz treten kann.

Wenn der Raum völlig gefüllt ist, also wenn du eine Gitarre hast, die völlig voll ist, dann klingt die nicht. Ich kann so viele Saiten anschlagen. Die klingt einfach nicht.

Weil kein Raum ist zum Schwingen. Sondern es braucht einen Raum, wo ich offen bin für die Welt. Und wie kann ich den herstellen?

Also wie kann ich den Raum, wo das Lernen auch stattfindet, so vorbereiten und auch mit den Schülern, und Beziehung ist ein ganz, ganz, ganz wichtiger Faktor, dass die Schülerinnen und Schüler sich so sicher fühlen oder so entspannt, also sie müssen ja nicht ganz entspannt sein, sie sollen ja nicht einschlafen, aber so weit, dass sie sich dem Lernen widmen können. Und das, glaube ich, ist eine Profession. Und die ist jenseits von Didaktik.

Und mir geht es gar nicht darum, das Lehren ganz zu streichen. Das geht mir darum gar nicht. Aber ich glaube, dass wir, wenn ich mal so durch die Bank wegschaue, von der Ausbildung her, aber auch von der Praxis in den Schulen, immer noch sehr stark im Vermitteln von Inhalten sind.

Und weniger darin, Kinder darin zu unterstützen, ins Lernen zu kommen und die für sie relevanten, also sagen wir mal so, es gibt Dinge als Kulturtechniken, da gibt es so einen Mindeststandard, das müssen alle Kinder tatsächlich erlernen. Und dafür haben wir gute Methoden entwickelt, da brauchen wir unbedingt Didaktik. Aber darüber hinaus auch zukunftsorientiert, die Kompetenzen und Fähigkeiten zu fördern, die sowieso jemand schon mitbringt.

Also dass man demjenigen, wo man irgendwie schon klar sieht, der wird Fußballprofi, dass man dem möglichst den Raum gibt, sich seiner Passion auch zu widmen, als kleines Beispiel. Also dass wir dieses Buffet zur Verfügung stellen, aber auch gleichzeitig den Raum so vorbereiten, und die Kinder so sehen, was sie wirklich brauchen. Und das hast du zum Teil ja auch gesagt, ich glaube, wir sind gar nicht so weit voneinander weg, du hast ja auch gesagt, was braucht denn jetzt der Schüler oder die Schülerin, damit sie lernen kann.

Und ich glaube aber, dass diese Kompetenzen auf diese unterschiedlichen Behaltensauffälligkeiten einzugehen, dass wir das noch viel mehr in einer Ausbildung vermitteln müssen. Und gleichzeitig auch diese Erfahrungen, die diese Schulleiter gemacht haben. Wir sind in einer Gemeinschaft, wir wollen etwas lernen, wir sind hier mehr oder weniger, ich hoffe, sie waren freiwillig da, wir wollen etwas verändern, wir bilden eine Gemeinschaft, wir unterstützen uns gegenseitig, wir coachen uns gegenseitig.

Wenn das eine gemachte Erfahrung ist, und in einigen Lehramtsausbildungen passiert das ja auch schon, so ein Ausbildungscoaching, wie zum Beispiel in Brandenburg, dann kann, glaube ich, es gibt ein anderes Verständnis von, wie lerne ich denn Dinge, wie eigne ich mir etwas an, was brauche ich für Voraussetzungen dafür. Und da ein bisschen auch den Druck von den Lehrern wegnehmen, das ist ja auch das, wo viele Lehrer auch heute Druck führen.

[Michael Schratz]

Ja, beim letzten Ansatz kann ich das sehr gut nachvollziehen. Ich war ja in der Lehrerausbildung, habe eine eigene Fakultät für Lehramtsbildung gegründet, weil die sonst zu sehr in die Fachlichkeit und nicht in die pädagogische Richtung gegangen ist, und ist die einzige auch, die es in Österreich gibt, in Deutschland gibt es ganz wenige. Das ist genau das Problem, ich kann die Fachlichkeit ja nicht außer Acht lassen, weil da soll ich ja denen vermitteln.

Ich studiere ja Sport mit Anatomie, Physiologie, um zu verstehen, am letzten Stand der Wissenschaft sozusagen, oder in der Fachdidaktik Englisch. Wie baue ich einen kommunikativen Unterricht aus, wo ich weiß, dass überhaupt was vertragen, ist Schülern überhaupt in bestimmten Phasen zuträglich. Aber mir ging es immer darum, und vielleicht lässt sich von der Seite jetzt der Wippe erklären, das Lehren in den Dienst des Lernens zu stellen.

Also das Lehren in den Dienst des Lernens zu stellen, heißt hinzuspüren, was braucht er, was du gesagt hast. Ich habe nicht mitgekriegt, wenn du sagst, der wird irgendwann einmal ein Fußballstar, weil das erlebe ich, daneben ist der Fußballplatz, das fangen die schon viel früher an. Und ich erlebe auch bei meiner Enkeltochter, diese Mathematikerin ist in der Saubon in Frankreich, und die ist jetzt drei Jahre, die zweisprachig aufwächst.

Also es ist den Kindern unglaublich viel zumutbar, und dieses Zumuten ist für mich mehr als ein Begleiten. Da muss ich manchmal anstoßen, muss manchmal zurückhalten. Ich glaube, der Unterschied in der Begrifflichkeit, und das hat natürlich mit mir als Wissenschaftler zu tun, dass Begriffe irgendwo immer klein gehackt werden müssen, um zu verstehen, ist es tragfähig.

Und für mich, darum habe ich das am Anfang gesagt, muss ich wissen, was für ein Verständnis von Lernen habe ich, dass ich es begleiten kann, und lässt sich Lernen überhaupt begleiten? Es gibt unterschiedliche Theorieverständnisse nicht, weil ich überhaupt nicht voraussehen kann, wie und was ein Schüler wirklich lernt, weil das auch nicht voraussehbar ist. Bei einem kann das erst zwei Jahre später kommen.

Und jetzt ist aber das Spannende für mich, wie kann ich tatsächlich, ich gebe dir recht, dass in vielen Lehrerausbildungen das noch nicht der Fall ist, aber ich habe auch gemerkt, ich bin einmal eingeladen worden in Brandenburg, in der zweiten Phase, wo sie das Coaching machen, da kam dann plötzlich zurück, die Fachlichkeit bleibt auf der Spur. Wie kriegt man das hin? Und das ist genau der Wippeffekt.

Im Unterricht geht es ja immer einerseits um Sachgerechtigkeit und Menschengerechtigkeit. Wie werde ich der Sache des Faches gerecht? Und wie werde ich dem Menschen, der mir gegenüber ist, gerecht?

Und ich schaue, dass ich nicht die Wippe verlasse und sage, jetzt geht nicht nur um die Beziehung oder nur ums Coaching, sondern das ist ein Ineinanderfließen. Und dadurch ist für mich eigentlich das Begleiten eine Rolle, die ich als Lehrperson habe. Und es gibt viele, viele andere auch.

Und euch sehe ich als die, die euch spezialisiert auf das, was ihr Lärmbegleitung nennt. Ich versuche es nur genauer zu verstehen. In einem Bild steht ihr neben der Wippe oder habt ihr ein anderes Bild.

Du hast das Buffetbild. Das habe ich wieder nicht, weil ich muss einmal wissen, was vertragen die überhaupt, bevor ich ein Buffet herstelle. Und wenn ich nicht das auf dem Buffet finde, was ich kriege, um wieder das Bild weiterzuführen, wird es auch wieder schwierig.

Aber das Spannendste ist für mich immer die Begegnung gewesen, die Begegnung mit Welt und Begegnung mit Menschen. Und ich merke gerade bei meinem Enkelkind, man sieht es bei denen ja viel besser, weil man Distanz hat als bei den eigenen Kindern, wie die die Welt erobern. Und alles, was Einfluss nimmt, schränkt eigentlich eher ein.

Wir haben ja sozusagen in jeder Situation, in der wir sind, unendlich viele Möglichkeiten zu handeln. Und wie immer, und das tun ja vor allem Lehrer über ihre Didaktik, engern sie diesen Raum ein. Da bin ich auch bei dir, den Raum.

Und ich muss eigentlich den Raum öffnen. Und das ist für mich immer dieses Zutrauen, zumuten und fordern. Ich habe ja das Privileg gehabt, wie du erwähnt hast, Sprecher der Jury des Deutschen Schulpreises zu sein und die deutschen Schulen sowohl in Deutschland als auch die Auslandsschulen zu erleben.

Und das war die beste Fortbildung, die ich hatte. Und ganz selten, dass eine dieser Schulen den Begriff Lernbegleiter tatsächlich verwendet hat. Aber die würden das wahrscheinlich tun, was ihr darunter versteht.

Zum Beispiel eine Schule, da übernehmen einmal im Jahr die Schüler die Schule. Eine ist Schulleitung, die anderen sind Lehrperson X. Also das ist immer die Klasse vorm Abitur.

Und unterrichten dann praktisch die Jüngeren. Wenn ich mit Lehrern rede, kommt oft die Antwort. Aber wer ist dann verantwortlich, wenn was passiert?

Da ist schon wieder diese Einschränkung in meinem eigenen Handeln. Ich traue und mute das denen gar nicht zu. Und zufällig war, diese Schule ist am Neuruppiner See.

Und das war zu DDR-Zeiten immer der Ort, wo sie Panzerübungen gemacht haben. Und jetzt war an dem Tag, als dieser Schüler die Schulleitung übernommen hatte, Bombenalarm. Das heißt, er musste die Schule evakuieren.

Er hat viel mehr gelernt, als er je in seinem Unterrichtsfach gelernt hätte. Oder alle zusammen, würde ich sagen. Wir muten den Menschen viel zu wenig zu.

Aber das ist immer dieses Arbeiten am System. Das ist auch meine Aufgabe als Wissenschaftler. Wie viel verträgt das System eigentlich noch so ab?

Wie viel verträgt ihr an kritischer Auseinandersetzung mit dem Lernbegleiterbegriff, ohne euch zu frustrieren?

[Silke Weiß]

Ich finde es super, wenn wir da kritisch drauf schauen. Und ich glaube, ich würde noch mal eine Sache betonen. Mir geht es nicht darum, ich sehe das schon auch, dass im Moment ist das Lernbegleiten oder das Begleiten der einzelnen Personen eine Rolle der Lehrenden.

Und gleichzeitig weiß ich, dass es Menschen gibt, die studieren Lehramt, weil sie sagen, Mathe finde ich super, das will ich unterrichten. Und andere kommen aus der Jugendarbeit und sagen, ich will mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Ich will gucken, dass sie sich weiterentwickeln.

Warum eigentlich nicht zwei Professionen? Warum können wir nicht einmal sagen, und ich weiß es noch aus meiner Schulzeit, da gab es Lehrer, die waren total fach... die waren horrifän, also die waren super in ihrem Fach, aber waren irgendwie auch ein bisschen schrullig.

Aber die mochte man, einfach weil die einen so für das Fach begeistern konnten. Und dann gab es andere, die waren dann vielleicht auch Vertrauenslehrer, die haben ganz viel Beziehungsarbeit gemacht. Und da wusste man, da konnte man hingehen, da konnte man das Herz ausschütten.

Und warum nicht zwei Professionen? Also klar braucht ein Mindestverständnis von jedem, der Kinder unterrichtet, ein bisschen auch, wie gehe ich in Beziehung, auf jeden Fall. Aber ich glaube, diese andere Seite, wo wir diese Beziehungskompetenz stärken, die Stärkung und Potenziale der Einzelnen fördern, sie wirklich fragen, wie es ihnen geht und was sie brauchen, das kommt immer zu kurz.

Dafür ist auch nie wirklich Zeit. Das quetscht man mal in so eine Freiarbeitsphase rein, oder man hat als Schule so ein Coaching-Konzept, dann ist es eine Viertelstunde in der Woche. Und wir wissen eigentlich, dass das ganz viel des Lernerfolgs auf Beziehung basiert.

Und eigentlich müssten wir dem auch in unseren Institutionen vielleicht auch durch eine eigene Profession Raum und Gewicht geben.

[Michael Schratz]

Ja, da bin ich ganz deiner Meinung. Deswegen gibt es ja in letzter Zeit immer mehr das Konzept der multiprofessionellen Teams. Das heißt, da gehört ja auch jetzt Medizin, also die Gesundheit dazu.

Ich glaube, das kann eine Profession ohnehin nicht abdecken. Und die Zukunft ist meines Erachtens immer in multiprofessionellen Teams. Und erfolgreiche Schulen haben in irgendeiner Form Leben, die diese Situation, jedenfalls habe ich das so erlebt, weil das ist ja ganz klar.

Und zudem merke ich jetzt, durch die KI wird es ja noch herausfordernder, weil die Schülerinnen und Schüler zum Teil schon mehr wissen als die Lehrpersonen und dadurch die alte Rolle der Lehrperson als Wissensvermittler immer mehr in den Hintergrund tritt, weil die Daten, auf die man durch die KI zugreifen kann, weit über das hinausgehen, was die Lehrperson überhaupt weiß. Und von dem her ist das für mich die momentan spannende Frage, wie verändert sich hier die Rolle der Lehrperson in dieser Zeit? Das wird, glaube ich, ganz, ganz eine große Herausforderung.

Noch eines möchte ich erwähnen. In der Bestsellerliste in England im Wirtschaftsbereich war das Buch mit dem Titel Leader as Healer. Also allein schon, wenn man merkt...

Ich bin ein Autor. Du bist ein Autor, ja. ...dass sozusagen die vulnerable Gesellschaft immer mehr diese Kompetenzen braucht. Und noch ein Tipp, es gibt noch ein schönes Buch, das heißt Don't Work Harder Than Your Students. Weil du gesagt hast, die Lehrer sind so ausgebrannt oder so am Rande. Aber jetzt sind Wortmeldungen im Raum.

[Silke Weiß]

Ja, ich würde jetzt erst mal Martina bitten zu sprechen.

[Zuhörer*in 2 (Martina)]

Hast du eine Frage, Martina? Vielen Dank für diesen interessanten Beitrag bisher. Also ich finde es total spannend.

Ich bin an der Frage hängen geblieben, dass Lehrer und Lehrerinnen mehr gucken müssen, was braucht der Schüler oder die Schülerin. Und ich habe jetzt anderthalb Jahre in einer Intensivklasse gearbeitet, also nur mit geflüchteten Kindern. Und da sind wenige Kinder.

Und ich finde, das Problem ist oft in unseren Regelschulen nicht unbedingt, dass die Lehrkraft nicht sieht, was braucht jedes Kind, sondern dass die Kinder quasi in ihrer Entwicklung noch nicht so weit sind, dass sie sozial verträglich an dem arbeiten können, was sie gerade bräuchten. Sondern man arbeitet ja auch immer in einer Gruppe. Und dann muss ich ihnen zumuten, zum Beispiel, wenn sie total schnell sind, aber in einer Gruppe nicht warten können, wenn jemand anders einen Beitrag gibt, dann muss ich diesem Kind zumuten, sich auch mal zurückzunehmen.

Also ich finde, in dieser Lernbegleitung geht es oft um so ein Optimum. Wir wollen das Optimale für alle Schüler. Und ich glaube, daran kann man auch als Lehrkraft scheitern, weil man dann quasi denkt, ich muss wirklich jederzeit jedem gerecht werden.

Das kann ich nicht schaffen, wenn ich, nur nicht mal wenn ich zwölf Intensivklassenkinder habe oder acht oder im Regelunterricht vielleicht 18 Kinder in der Grundschule habe, sondern es bleibt immer ein Kompromiss und es bleibt immer diese Möglichkeit des Scheiterns. Und ich habe eher das Problem, ich sehe, was jedes Kind bräuchte, aber die Kinder sind noch nicht so weit, quasi alleine an dem arbeiten zu können, was sie jetzt gerade brauchen oder wollen, wenn sie noch so klein sind. Ich glaube, dass ganz viele denken eher so an die weiterführende Schule, auch Wutöschingen, die sind eben schon älter.

Aber wenn die klein sind und das Soziale mitspielt im Lernen, in diesem Beziehungsaufbau, dann gibt es eine ganz lange Phase, wo man sieht, okay, der müsste jetzt das und das machen, aber das schafft es noch gar nicht, weil die anderen fünf, die müssen auch jetzt gerade noch was anderes machen und die schaffen es auch nicht. Und da, genau, da denke ich, da muss man den Kindern was zumuten als Lehrkraft, eben sich auch mal zurückzunehmen, warten zu können, in einem sozialen Gefüge zu bestehen. Also das gehört auch mit zu unserer Gesellschaft.

Also quasi kann ich das auch aushalten können, auch die Kinder sich gegenseitig so wertschätzen und wahrnehmen, dass sie das aushalten können, dass sie unterschiedliche Bedürfnisse haben. Und zum anderen bin ich total froh, dass jetzt dieser Aspekt Fachlichkeit so sehr auch noch mal betont wird, weil ich finde auch, dass der in der Sicht der Lernbegleitung oft unter den Tisch fällt. Aber das war eben gerade in so einem Nebensatz nur erwähnt.

Ja, die Kinder brauchen ja erst mal eine Basis. Also die müssen lesen, schreiben und rechnen können, um überhaupt irgendwie lernen zu können. Aber genau da ist in der Grundschule ja die Fachlichkeit da.

Und da muss ich ja auch irgendwie hinkommen. Und da muss ich auch. Also die lernen eben auch nicht automatisch alle das, was sie brauchen, sondern da muss ich ihnen didaktisch was anbieten.

Und das muss ich wiederum auch gestalten. Genau, also ich finde, dieses Scheitern, auch wenn man denkt, ich brauche das Optimale, ich sehe als Lehrkraft ganz viel, was meine Schüler brauchen, aber ich kann es noch nicht so organisieren, wie die das vielleicht in Buttschingen machen, weil die Schüler einfach noch gar nicht so weit sind. Und dann ist Lernen ein Kompromiss.

Und ich glaube, wir müssen irgendwie uns da auch entspannen zu sagen, wir brauchen weder perfekte Lernbegleiter noch perfekte Lehrkräfte, sondern es bleibt immer ein Kompromiss zu unterrichten auch.

[Silke Weiß]

Ja, danke.

[Michael Schratz]

Ich danke auch, weil ich glaube, auch die Perfektion kriegt man nicht hin. Wir können immer nur hinarbeiten und an uns selber arbeiten. Danke, das hast du wunderschön mit Genuss zugehört, wie du das gesagt hast.

Und auch die Tiefe mitgekriegt, die da in dem drin liegt, was du gesagt hast. Danke.

[Silke Weiß]

Ja, Michael, noch kurze Frage, wie lange hast du denn Zeit?

[Michael Schratz]

Ja, jetzt kommt gerade eine Schulleiterin mich besuchen, die in Pension ist. Ich habe hier so in Innsbruck eine Laborschule aufgebaut. Das war wirklich, da wollte ich die lernen, weil die Studierenden sind immer zurückgekommen und gesagt, so wie ihr uns ausbildet, ist sie in der Schule ja gar nicht.

Und darum war ich dann beglückt, als eine neue Schule gegründet werden musste. Und die hat wirklich für mich eine tolle Möglichkeit gegeben. Und da brauchte ich natürlich eine Schulleiterin.

Und zum Beispiel, wenn Eltern mit ihren Kindern an Schulen gegangen sind, wo es dann geheißen hat, nein, das geht da nicht, hat sie gesagt, ja toll, da können wir was lernen. Das ist sozusagen die lernseitige Haltung im Lernen. Aber der Thomas hat seine Hand oben.

Ich bleibe noch so lange, bis der Thomas noch so lange mich braucht dazu. Und dann geht es ihr eh in die Breakout-Rooms, glaube ich.

[Silke Weiß]

Genau, dann machen wir eine kurze Pause und gehen in die Breakout-Rooms. Ja, super, gut, Thomas.

[Zuhörer*in 3]

Okay, danke schön. Ja, ich habe eine Frage, die ich gerne stellen möchte. Sie knüpft an an dem, also Silke hat mich eigentlich sehr inspiriert, gerade als sie erzählt hat, wie ich in den unterschiedlichsten Situationen gegenwärtig sein will.

Ich weiß gar nicht mehr ganz genau, was es war. Es ging um dieses Im-Moment-Sein-Können. Mir ist gerade bei der Martina aufgefallen, dass wenn ich diese verschiedensten Ansprüche habe an mich, dann geht es ja darum, in meiner Mitte zu bleiben.

Und mein eigener Gedanke dazu war, dass ich in der letzten Schule an der Grundschule sehr gemerkt habe, je mehr es mir gelingt, morgens ein bisschen zu meditieren, ein bisschen mehr Raum zu haben, in mir zu kreieren, ich bin dann flexibler, offener, spontaner, vielleicht auch so witziger manchmal, kann leichter reagieren auf so komische Situationen. Also mehr von dieser Offenheit. Und das höre ich auch raus in deinem Lernen mit Präsenz und Empathie.

Ich würde jetzt von mir aus sagen, die Lehrer müssten ja alle irgendwie auch dazu angeleitet werden, diese Selbstwahrnehmung oder Meditation oder so eine Richtung zu lernen. Wie meinst du das mit dem Lernen mit Präsenz und Empathie im Hinblick auf eine Didaktik? Wie soll man den Lehrern das vermitteln?

Oder hast du dazu Gedanken gehabt, wie das eigentlich dann implementiert werden soll?

[Michael Schratz]

Ja, also ich habe mich ja auf das Konzept von Sharma berufen, der hat gesagt, der Mensch handelt wie ein Computer, wenn man einschaltet. Das ist wie Downloading the patterns of the past. Man kann ja immer nur auf das bauen, was die Routine bis jetzt gebracht hat.

Das muss einmal unterbrochen werden. Das ist sozusagen dieses Wiederfahren ist. Und einfach einmal innehalten.

Und wenn ich Rubana hernehme, der hat auch ganz klein begonnen. Damals, der hat ja nie an dieses große Modell gedacht, dass man einmal Klassenräume abschafft oder was immer. Sondern das ging aus einem kleinen Gespräch heraus, diese Veränderung.

Und dann hat Sharma drei Stufen Open Mind. Aber das kann man jetzt nicht in eine Didaktik packen, sondern wir haben das versucht zu leben in unserer Leadership Academy. Und wie kann jemand überhaupt seine Bereitschaft zeigen?

Weil wenn die Bereitschaft nicht da ist, kannst du eh schon vergessen. Ich kann nicht jemand anderen zwingen oder die Bereitschaft erzwingen. Und da hat er gesagt Observe, Observe, Observe.

Schau genau hin. Wir haben vorher von blinden Flecken gesprochen. Sieh einmal das, was du siehst mit anderen Augen.

Also einer hat gerade bei uns gesagt, die haben aufgeteilt. Jeder geht mit einer anderen Brille durch die Schule und schaut, wo findet sie ihre Lernseitigkeit. Ich habe beispielsweise Kindern, weil die in der Grundschule noch nicht so fähig waren, eine Kamera in die Hand gedrückt.

Damals waren es noch Instamatic-Kameras. Macht Fotos von Orten, wo ihr gut lernt und Orte, wo ihr nicht gut lernt. Dann kamen die mit diesen Bildern und haben sie den Lehrpersonen präsentiert.

Und jetzt kann man sich vorstellen, da steht der Lehrer im Chemiesaal, jetzt in der Sekundarstufe und der Schüler klopft an die Tür. Was willst du? Ich möchte ein Foto machen von einem Ort, wo ich nicht gut lerne.

Da kann man sich vorstellen, da fangen bereits Interventionen an. Das ist sozusagen dieses Antwortgeschehen. Und dann setzen sich die Lehrer, dann haben die dadurch eine Photovoice sozusagen gekriegt.

Heute spricht man von Evidenz, weil die konnten das ja nicht einfach das Bild wegtun. Nach einer pädagogischen Tag, wo ich gesagt habe, sie sollen Schülerinnen und Schüler auch mitmachen lassen, kamen die Schüler zurück auf der Flipchart mit dem Spruch, Lehrer sind wie Dealer, die denken immer nur an den Stoff. Und die Lehrer haben sich sehr geärgert gefühlt, haben gesagt, das ist das letzte Mal, dass die Schüler mitgemacht haben.

Aber wenn man sozusagen nicht alles als Widerfahren ist, aufgreift und sagt, jetzt setzen wir uns miteinander auseinander. Oder eine, vielleicht noch zwei Sachen von dieser Art.

[Michael Schratz]

Von dieser Fotoevaluation. Eine Schülergruppe hat fotografiert, da stand im Konferenzzimmer Eintritt für Schüler verboten. Und dann haben sie gesagt, wo gibt es einen Raum, wo Eintritt für Lehrer verboten ist.

Das finde ich faszinierend zu sagen. Ja, wo haben wir unseren Raum? Und was am meisten fotografiert worden ist an allen Schulen, und ich glaube, ich habe es in mehreren Ländern gemacht, war die Toilette.

Jetzt, wenn man sich vorstellt, die Toilette ist in der Forschung kaum relevant. Und zwar entweder im Sinne von, das ist der einzige Ort an der Schule, den ich für mich allein habe. Oder so negativ, dass die sagen, ich schaue, dass ich daheim ja nichts trinke, dass ich in der Schule nicht aufs Klo gehen muss, weil es so furchtbar ist.

Und wenn man sich denkt, und dann fängt man an, sich auseinanderzusetzen, was heißt das jetzt als Lern- und Lebensraum? Wenn man ein Klo als einzigen Ort hat, wo man als Schülerin oder Schüler für sich allein hat, oder wo man gar nicht aufs Klo gehen möchte. Das sind Widerfahrnisse.

Aber ich glaube, da müssen wir länger darüber reden.

[Silke Weiß]

Ja, also erstmal vielen, vielen herzlichen Dank, Michael, für deine Einblicke. Ich finde es auch gerade richtig spannend und ich hätte richtig Lust, das Gespräch nochmal fortzuführen. Das machen wir garantiert.

Wenigstens beim nächsten Bildungsgipfel kommen wir darauf nochmal zurück.

[Michael Schratz]

Alles klar. Es war wunderschön. Danke für eure Qualitätszeit, die ihr mir gewidmet habt.

Danke für die Einladung, Silke.

[Silke Weiß]

Sehr gerne.

[Michael Schratz]

Und auch Unterstützung, Petra. Tschüss, ciao, servus.

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