Podcast mit Publikum mit Helga Breuninger
Show notes
Folge 09 Die Kunst der Lernbegleitung
Hiermit startet eine neue Reihe im Pioneers of Education Podcast Lernkultur. In unserem Bildungscafé treffen sich Menschen, die Bildung neu denken, live, echt und im offenen Dialog. Gemeinsam mit mir, Silke Weiß und spannenden Gästen geht es um die Fragen, die uns alle bewegen.
Wie lernen wir heute und wie gestalten wir die Zukunft? Lasst euch inspirieren von Gesprächen, die mitten aus dem Leben kommen und von einem Publikum, das mitfragt, mitfühlt und mitgestaltet. Schön, dass ihr dabei seid. Heute zu Gast bei mir ist Helga Breuninger.
Helga Breuninger ist eine liebe Freundin, mit der ich schon lange durch die Kraft des Wir, einem Zusammenschluss von verschiedenen Bildungsinitiativen, freundschaftlich verbunden bin und wir gemeinsam überlegen, wie wir unsere Kräfte bündeln können, um die Bildungstransformation voranzubringen. Helga ist eine Psychologin, Unternehmensberaterin und Stifterin und mit der von ihr gegründeten Helga-Breuninger-Stiftung setzt sie sich unermüdlich dafür ein, dass die Bedingungen des Lernens sich an unseren Schulen verbessern. Unter anderem mit dem an vielen Schulen und Universitäten und Studienseminaren erprobten Programm intus³-Beziehungslernen. Helga Breuninger hat neben der Helga-Breuninger-Stiftung noch eine weitere Stiftung in Paretz gegründet.
Sie ist die Begründerin der integrativen Lerntherapie und hat lange mit Kindern gearbeitet, die eine besondere Unterstützung brauchen. Und schon früh initiierte sie das Essener-Modell der Lehrerbildung an der Universität Essen. Also, ihr seht schon eine sehr kompetente Gesprächspartnerin heute an meiner Seite
Links:
Helga-Breuninger-Stiftung https://www.helga-breuninger-stiftung.de/
Stiftung Paretz https://www.stiftung-paretz.de/
intus³-Beziehungslernen https://www.intushochdrei.de/
Bildungscafé https://www.lernkulturzeit.de/veranstaltung/bildungscafe/
Show transcript
Bildungscafe 23.04.25 FINAL
HELGA BREUNINGER: Bei Kindern, die so eine ganz, ganz schwache Fehlertoleranz haben, die also, wenn sie einen Fehler machen in der gemeinsamen Aufgabe, dann erst mal so erschrecken und dann so angsterfüllte Augen kriegen. Da war meine beste Intervention, dass ich mich entschuldigt habe. Da habe ich gesagt, entschuldige, ich glaube, ich habe dir heute die falsche Aufgabe rausgesucht. Und dann tröstete mich das Kind und sagte, das kann Ihnen doch auch mal passieren, Frau Breuninger.
Herzlich willkommen beim Pioneers of Education Podcast Lernkultur. Menschen wollen sich verändern, aber nicht verändert werden.
Bei uns geht es um die Frage, wie Lernen heute und in der Zukunft gelingt und wie wir selber im schulischen Kontext, im Team, in der Organisation und am Ende gesamtgesellschaftlich lernen. Und was bedeutet es eigentlich, sich zu verändern und zu entwickeln? Zu diesen Themen laden wir inspirierende Menschen ein, um Impulse zu setzen und die Veränderung am Ende jedem selbst zu überlassen. Ich begrüße euch zu unserem Podcast mit Publikum aus dem Bildungscafé der Lernkulturzeitakademie.
SILKE WEIß: Hiermit startet eine neue Reihe im Pioneers of Education Podcast Lernkultur. In unserem Bildungscafé treffen sich Menschen, die Bildung neu denken, live, echt und im offenen Dialog. Gemeinsam mit mir, Silke Weiß und spannenden Gästen geht es um die Fragen, die uns alle bewegen.
Wie lernen wir heute und wie gestalten wir die Zukunft? Lasst euch inspirieren von Gesprächen, die mitten aus dem Leben kommen und von einem Publikum, das mitfragt, mitfühlt und mitgestaltet. Schön, dass ihr dabei seid. Heute zu Gast bei mir ist Helga Breuninger.
Helga Breuninger ist eine liebe Freundin, mit der ich schon lange durch die Kraft des Wir, einem Zusammenschluss von verschiedenen Bildungsinitiativen, freundschaftlich verbunden bin und wir gemeinsam überlegen, wie wir unsere Kräfte bündeln können, um die Bildungstransformation voranzubringen. Helga ist eine Psychologin, Unternehmensberaterin und Stifterin und mit der von ihr gegründeten Helga-Breuninger-Stiftung setzt sie sich unermüdlich dafür ein, dass die Bedingungen des Lernens sich an unseren Schulen verbessern. Unter anderem mit dem an vielen Schulen und Universitäten und Studienseminaren erprobten Programm Intus hoch 3. Helga Breuninger hat neben der Helga-Breuninger-Stiftung noch eine weitere Stiftung in Paretz gegründet.
Sie ist die Begründerin der integrativen Lerntherapie und hat lange mit Kindern gearbeitet, die eben eine besondere Unterstützung brauchen. Und schon früh initiierte sie das Essener-Modell der Lehrerbildung an der Universität Essen. Also, ihr seht schon eine sehr kompetente Gesprächspartnerin heute an meiner Seite, die ich ganz herzlich begrüße.
So, liebe Helga, wie schön, dass du heute hier bist an diesem schönen Frühlingstag. Und es geht ja um das Thema Lernen, Begleiten. Wir sprechen da oft darüber, auch wenn wir uns unserer Allianz zur Kraft des Wir treffen und uns austauschen, sind wir viel im Kontakt, gerade auch zu diesem Thema.
Und wenn wir uns mit der Veränderung von Bildung beschäftigen, müssen wir uns natürlich auch mit der Veränderung der Rolle des Lehrenden beschäftigen. Es kann ja nicht sein, dass wir versuchen, vieles in diesem System zu verändern und die Rolle der Lehrenden so stehen lassen. Und wir haben schon oft darüber gesprochen, dass es im Prinzip so einen Paradigmenwechsel braucht, also vom Lehren zum Begleiten, also dieses Lernen begleiten.
Und was es dafür für Kompetenzen braucht. Aber gleichzeitig geht es ja gar nicht so sehr nur um die Kompetenzen, sondern das ist ja vor allem eine Haltung. Und da haben wir uns auch schon öfter dazu ausgetauscht.
Und würde ich gern so als Einstieg mal so fragen aus deiner Expertise. Du bist ja schon seit vielen, vielen Jahren sehr erfolgreich unterwegs dabei, Impulse zu setzen für eine neue Lern- und Lehrkultur. Was macht denn deiner Meinung nach oder deiner Expertise nach diese Haltung aus? Was charakterisiert die denn? Welche Haltung habe ich denn als Lernbegleiter?
HELGA BREUNINGER: Ich bin in Verbindung mit dem Kind und mit dem, was beim Kind und im Kind und um das Kind herum passiert.
Ich löse mich, wenn ich eine Aufgabe gestellt habe. Dann löse ich mich von meinen Erwartungen, wie diese Aufgabe erledigt werden soll. Und dann geht meine Wahrnehmung in die Verbindung.
Ich verbinde mich intuitiv und empathisch und dann spüre ich ja, was passiert. Und das bewerte ich auch nicht. Ich denke, das Geschehen lassen und es zu begleiten, es wahrzunehmen und empathisch mitzuschwingen und mich so resonant zu verbinden.
Das ist eigentlich das, was Lernbegleitung ausmacht. Und das stärkt das Kind in so einem Resonanzraum, so einem Wohlwohlen, wo mir der Lernbegleiter ganz viel zutraut. Und wenn ich auch mal Hilfe brauche, dann kriege ich die auch. Das stärkt die Kinder ungemein.
SILKE WEIß: Wie kommst du denn dazu?
HELGA BREUNINGER: Das ist eine sehr schöne Frage. Ich bin ja nun keine Lehrerin. Ich bin klinische Psychologin und ich habe mit 800 Kindern therapeutisch gearbeitet, die nicht mehr beschulbar waren. Die aber zu intelligent waren, um auf die Sonderschule geschickt zu werden. Das war so Mitte der 70er Jahre, bis Mitte der 90er Jahre waren das dann also 800 Kinder.
Einzeln, meistens, aber auch in kleinen Gruppen. Und da habe ich gelernt, was diese Kinder brauchen, um wieder ins Lernen zu kommen. Sie brauchen jetzt mal jemanden, der sie nicht kritisiert.
Sie brauchen jemanden, der sie wahrnimmt. Jemanden, der sie mag. Jemanden, der das, was sie macht, akzeptiert.
Diese Akzeptanz brauchen sie. Und dann brauchen sie jemanden, der ihr Glaube versetzt, der an sie glaubt und der ihnen das auch zutraut. Auch wenn Fehler passieren.
Bei Kindern, die eine ganz schwache Fehlertoleranz haben, wenn sie einen Fehler machen in der gemeinsamen Aufgabe, dann erstmal zu erschrecken und dann so angsterfüllte Augen kriegen. Da war meine beste Intervention, dass ich mich entschuldigt habe. Da habe ich gesagt, entschuldige, ich glaube, ich habe dir heute die falsche Aufgabe rausgesucht.
Und dann tröstete mich das Kind und sagte, das kann Ihnen doch auch mal passieren, Frau Breuninger. Also das sind so die Dinge, die ich in der Lernzeit einfach gemerkt habe, wie sieht gute Lernbegleitung aus. Wir sagen gute Lernbegleitung, ich bin immer in Verbindung.
Auch gerade, wenn die Fehler passieren. Wenn die Kinder etwas machen, was ich unmöglich finde, bleibe ich in Verbindung. Und diese Verbindung, die ich halte, die trägt die Kinder und die trägt aber auch mich.
Und in dieser Verbindung passieren dann die Dinge, wo das Kind wirklich stark wird. Da brauche ich natürlich in dieser Verbindung aber auch so eine Ruhe, so eine Geduld und Humor.
SILKE WEIß: Du hast so einen schönen Begriff geprägt, da würde ich gerne mal drauf kommen, den Potenzialblick.
Also das ist so etwas, was ich so total mit dir verbinde. Vielleicht kannst du mal noch ein paar Worte dazu sagen, weil ich glaube, den braucht man auch als Lernbegleiter.
HELGA BREUNINGER: Da habe ich entdeckt, dass er eigentlich das wirksame Ingredient ist, was ich Kindern entgegenbringe.
Dass ich an ihr Potenzial glaube. Und dass ich eben von meinem Problemblick meine, die Kinder sind zu mir gekommen mit so einer Akte von den überweisenden Ärzten oder von der Kinder- und Jugendpsychiatrie, was das Kind eigentlich kann. Welche Tests alle, wie schrecklich ausgefallen sind.
Am Anfang habe ich dann noch durchgearbeitet durch so eine Akte und dann kam dieses arme Geschöpf die Tür rein und ich habe in meinem Kopf diese ganze Akte gesehen. Und dann habe ich wirklich gedacht, mein Gott, das hat mir das Kind schon leid. Und dann habe ich nach einigen Kindern, wie gesagt, diese Akten gar nicht mehr gelesen und habe gesagt, da beschwere ich mich nur, ich beschwere das Kind, ich mache alles, ich verende im Problemblick.
Und auch so diese, was ich gelernt habe in der klinischen Psychotherapie, dass man so Therapieziele formuliert, also wohin will ich überhaupt, das kann man auch vergessen. Man muss aber gucken, was braucht dieses Kind, was braucht es jetzt und was braucht es von mir. Und was von dem, was es von mir braucht, kann ich ihm geben.
Ich kann ja nicht die Eltern ersetzen. So reduziert sich das, wenn man dann wirklich mit 800 Kindern arbeitet, dann zum Schluss weiß man, wie es geht. Wie es funktioniert.
SILKE WEIß: Genau, du hast dann ja so verinnerlicht, auch wenn wir so im Kontakt sind, es taucht ein Thema auf, ein Problem auf, dann mit dem Potenzialblick, du siehst immer ein Potenzial.
HELGA BREUNINGER: Das ist eine Perspektive. Ich habe inzwischen auch einen KI-Bot, der diesen Wechsel, diesen Perspektivwechsel aus dem Problemblick in den Potenzialblick mit dir übt.
Du tippst also ein, mich stört an irgendwie ein Kind und dann wirst du gezwungen oder gebeten, eingeladen, wie auch immer, diesen Satz umzuformulieren, ich schätze an diesem Kind. Den gleichen Satz, wo du schreibst, mich stört an Martin, dass er so langsam ist, ich schätze an Martin, dass er so langsam ist. Und dann wirst du gefragt, wie sich das anfühlt.
Dann sagst du erstmal, ganz fremd, kann ich nichts dran schätzen. Und dann schlägt dir der KI-Bot, schön programmiert nach meinem Potenzialblick, der schlägt dir vor, was du daran schätzen kannst, wie sich das aus dem Potenzialblick anfühlt. Und dann gibt es dann erstmal so eine Distanz und dann ist man nicht so nah an dem Problem drauf, sondern an dem Langsamen kann man ja unendlich viel schätzen, dass da so eine Stärke auch ist.
Also diese eigentliche Schwäche wird dann in eine Stärke gebracht und dann wird es so lang formuliert und du kriegst so viele Vorschläge, bis du zum Schluss sagst, ja das hilft mir jetzt, jetzt kann ich das Kind anders sehen. Ja, das ist super. Das wäre nämlich auch meine nächste Frage, weil du hast ja gesagt, du hast da Lerntherapie mit den Kindern gemacht und hast gemerkt, was sie brauchen.
Und ich glaube, wir sind im Moment in der Realität unseres Bildungssystems, brauchen viele Kinder einfach richtig viel Zuwendung, um gut ins Lernen zu kommen. Und gleichzeitig kann ja nicht jeder erstmal Lerntherapeut werden, das sind ja auch Lehrer. Was genau machst du, um diese Haltung zu unterstützen? Du hast schon mal gesagt, so der KI-Bot und du hast aber auch noch mehr Programme oder Initiativen entwickelt, um genau das zu fördern.
Ich habe mit Wilfried Schley gemeinsam, das war 2012, da haben wir Videos gedreht, wo man eigentlich sieht, wie sieht es eigentlich aus, wie sieht eine Haltung, die so wie früher, wie wir alle das kennen, so dominant lockdown. Ich weise so an, Kinder, Schlagzeile 36 auf und komm, hol mal dein Buch raus. Was, du hast dein Buch noch nicht da? Also dieses Disziplinieren und Belehren, so diese klassische dominante Haltung, wie sieht die aus in so kurzen Sequenzen? Und dann haben wir genauso viele Videos gedreht, wie sieht das andere aus? Dass ich Kinder einlade, dass ich verständnisvoll bin, wohlwollend, dass ich erstmal eine offene Frage stelle, also nicht, wo man ja, nein antwortet, sondern wo ich frage, wie geht es dir heute, wo dann irgendwas kommt, wo ich empathisch zuhöre, mich mit dem Kind verwenden kann, wo ein Dialog entsteht.
Also diese gleichwürdige, dialogische Haltung, die eigentlich extrem demokratisch ist. Das hier, das Dominante, das ist autoritär. Und dieses Gleichwürdige auf Augenhöhe, das ist das Demokratische.
Und in Artikel 1 Grundgesetz steht drin, die Würde des Menschen ist unantastbar. Und diese demokratische, gleichwürdige Haltung, die erfüllt Artikel 1 des Grundgesetzes. Und das gilt auch für die Schule.
Ja, und so haben wir ein Training entwickelt, wie man aus dieser Dominanz in die Gleichwürdigkeit kommt. Und das sind vier Haltungen eigentlich, so ein Bündel. Es sind vier Kompetenzen, vier Haltungen, vier Wahrnehmungsfilter, wie auch immer man das beschreiben kann, die sich dann verbinden.
Das Erste, das Allerschwierigste ist die Akzeptanz. Ja sagen zu dem, was da ist. Akzeptieren, was geschieht.
Es nicht zu bewerten. Und dann, wenn ich es akzeptiere, kann ich nämlich mit meiner Intuition blitzschnell verstehen, worum es geht. Das ist aber blockiert, meine Intuition ist blockiert, wenn ich bewerte, wenn ich es nicht gut finde.
Dann kommen sofort negative Befindlichkeit, Enttäuschung, Frust, was immer. Also das Erste ist akzeptieren. Dann verstehe ich es intuitiv.
Und dann kommt meine Empathie. Was sind denn die Bedürfnisse? Was braucht er denn jetzt? Und was brauche ich? Und viele Konflikte sind Bedürfniskonflikte. Und da kann man dann, wie Trump sagen würde, einen Deal finden.
Da ist ein guter Deal besser als irgendwie dann wieder eine Unterwerfung oder ein Streit oder ein unlösbarer Konflikt. Also es ist ein Bedürfniskonflikt meistens. Und dann kommt die vierte wichtigste Wahrnehmungskategorie.
Wenn ich akzeptiert habe, intuitiv verstanden, die Bedürfnisse gesehen habe, welche Potenziale hat die Situation? Oder auch das Kind? Oder auch Anwesende? Welche Potenziale kann ich erkennen, die ich für eine Lösung nutzen kann? Und dann bin ich im Potenzialblick. Ja, super. Kostenlos auf HPI Open haben wir den Grundkurs, beziehungsweise mit dieser Haltung haben wir einen moderierten Online-Kurs gestellt.
SILKE WEIß: Genau, vielleicht sagen wir nochmal, was HPI ist.
HELGA BREUNINGER: Also Platteninstitut und HPI Open ist eben auch so eine Lernplattform. Derzeit sind über 1.000 Lehrer drin bundesweit, die damit üben.
Das ist doch schön. Ja, dann hat das auch einen Impact. Wir haben gesagt, Wilfried Schley und ich, das reicht nicht, dass wir das jetzt so benennen.
Man muss Wahrnehmung trainieren. Und die Ruth Cohn sagte auch, wir müssen Intuition schulen. Ein professionelles Verhalten hat eine geschulte Intuition und auch eine geschulte Empathie.
Das ist für mich das Professionelle, was ein Lehrer braucht, was ein Biologe braucht. Intuition und Empathie professionell schulen. Und das tun wir mit unseren Online-Trainings, unseren Video-basierten.
Und du übst es so lange, bis du das Intus hast. Also nicht im Kopf, sondern im Gespür. Deswegen heißt es Intus.
Und das Logo hat ein Herz oben drin im Kopf, weil ohne Herz geht gar nichts.
SILKE WEIß: Danke für deine Ausführungen. Und du hast ja gerade gesagt, es hat einen Impact.
Also Menschen üben damit. Du bist auch an Studienseminaren, bist auch teilweise in der Ausbildung oder in der Lehrerweiterbildung. Ihr habt es schon viele Menschen erreicht, auch mit dem Training und mit der Haltung.
Wie siehst du denn die Perspektive? Weil es sind zwar, auch wenn du sagst, na ja, da üben schon tausend, aber wir haben ja ganz viele Lehrer, die das alle vielleicht noch nicht üben. Und die klassische Ausbildung in den meisten Universitäten, zumindest was ich höre von den Menschen, die zu uns sind, die in die Trainings kommen, ist ja immer noch sehr stark mit dem alten Bild identifiziert. Also auch, dass wir Fächer unterrichten und keine Kinder fördern.
Also wir versuchen, das zu verbinden, aber es gibt eine ganz klare Priorität, die immer in der Fachlichkeit liegt. Und rein aus der psychologischen Sicht, also wenn ich mir mal anschaue, wie Lernen überhaupt funktioniert, was es da braucht an Sicherheit, an Zuspruch, an Entspannung, dann geht da eigentlich kein Weg dran vorbei. Wo siehst du Hoffnung, Schimmer am Horizont? Wo siehst du Bewegung? Wo geht was schon in die gute Richtung? Und wie siehst du auch die Perspektive langfristig für das Thema Lernbegleitung?
HELGA BREUNINGER: Also ich fange mal erst mal an mit dem, was unglaublich gut klappt. Wir haben ja zunehmend mehr Seiten- und Quereinsteiger, die verschont werden von diesem pädagogischen Studium. Aber am ersten Tag, wo die Geld kriegen von der Kommune, müssen die 23 Stunden Unterricht absolvieren. Und meistens in den Schulen, wo die normalen Lehrer schon keine Lust mehr haben, also in den Brennpunktschulen.
Und wir sind bei den Seiten- und Quereinsteiger-Qualifizierungen, das sind ja meistens immer so einzelne Lehrpersonen, die mit denen alle 14 Tage den ganzen Tag arbeiten oder die auch coachen, die arbeiten schon mit unserer Intus KI. Und die sagen, das ist die Rettung überhaupt. Jetzt kommt da so ein Quereinsteiger, ist es den ersten Tag in einer Brennpunktschule und dann schmeißt der Martin irgendwie sein Butterbrot ihm ins Gesicht.
Dann sagen wir immer, unser Rat ist, was heute passiert, versuche es weitgehend zu ignorieren, denn du hast noch keine pädagogisch gute Intervention gelernt. Versuche es zu ignorieren, gehe nach Hause, setze dich an den KI-Bot und schreibe rein. Martin hat sein Butterbrot in mein Gesicht geschmissen.
Was soll ich tun? Dann ist der KI-Coach, ist so programmiert, der hilft dir in der Selbsterfahrung. So was konnte ich jetzt daran nicht akzeptieren, was war für mich daran eigentlich so schlimm. Dann, wenn ich jetzt so zurückdenke, kann ich das irgendwie auch noch mal intuitiv verstehen, was mit dem los war.
Was brauchte der in dem Moment? Und was brauchte ich? Und danach den Potenzial. Also er fragt dich nach diesen vier Wahrnehmungsfiltern, so übst du dann die Haltung und dann macht er dir ganz konkrete Vorschläge. Dann tippst du ein, was soll ich morgen Martin sagen, wenn ich ihm begegne? Dann macht er dir super gute Vorschläge, wie du das Gespräch suchst, ob du es allein führst oder in welcher Situation du das machst, kriegst du richtige pädagogisch sinnvolle, gute Interventionsvorschläge.
Ja, und damit arbeiten jetzt immer mehr Seiten- und Quereinsteiger, das ist schon mal gut. Und wir haben also in Brandenburg, aber auch im Saarland, im Saarland und im Brandenburg sind wir schon in den Studienseminaren schon ziemlich drin. Im Saarland werden auch die Referendare schon so ausgebildet, das ist natürlich ganz toll.
Und in Brandenburg arbeiten überwiegend die Seiten- und Quereinsteiger damit und jetzt passiert was Unglaubliches. Die Seiten- und Quereinsteiger, die so arbeiten, kriegen relativ schnell mit ihren schwierigen Klassen eine unglaublich gute Beziehung. Da kommt wenig Störung, wenig Aggression, die kommen ins Lernen und es ist so friedlich bei denen.
Ganz anders als bei den anderen Kollegen. Und dann kommen die ins Lehrerzimmer und dann kriegen die Stress. Da kommt, also ich würde mal sagen, dass die Lehrer, die anderen des Kollegiums irgendwie neidisch und die denken, die sind irgendwie zu kumpelhaft.
Die stellen sich alles Mögliche vor, wie diese Seiten- und Quereinsteiger sich benehmen. Die können aber nicht akzeptieren, dass die mit den gleichen Kindern, mit denen sie ständig Machtkämpfe haben, dass die mit denen auf der gleichwürdigen Ebene so friedlich klarkommen. Und jetzt kommen die Seiten- und Quereinsteiger zu mir und sagen, Frau Breuninger, wir brauchen einen neuen Bot.
Wir brauchen einen Bot, der uns hilft, diese Konflikte mit diesem Kollegium zu lösen. Also sind wir jetzt dabei, dafür auch einen Bot zu machen. Also ich denke, dass dann immer weniger Lehrer mit dem klassischen Pädagogikstudium ins Feld gehen.
Und dann glaube ich, dass sich das, was Michael Schratz ja auch ins Leben gebracht hat, diese Wippe, wir müssen diese Wippe von Lehrseits nach Lernseits, die müssen wir üben. Und Lehrseits gehen wir in die Aufgabe, und dann müssen wir aber, wenn wir die Aufgabe gestellt haben, kommen wir ins Lernseits, also in die Lernbegleitung, wenn wir uns von unseren Erwartungen, was jetzt richtig und falsch ist, was die Schüler machen sollen, wenn wir uns davon lösen, und wenn wir in dieser resonanten Haltung, in dieser beziehungsorientierten Haltung, wie Intus Hoch 3 die vermittelt, in dieser Haltung verbinden wir uns mit den Kindern im Lehrgeschehen, in dem Lerngeschehen. Und dann sind wir in der Lernbegleitung.
Also er sagt eigentlich das Gleiche und hat dafür die Begriffe Lehrseits und Lernseits geprägt. Und das Lehrseits ist so, den Lernimpuls geben, die Aufgabenstellung, aber danach muss ich mich lösen und muss mich Lernseits verbinden mit dem Kind. Oder auch der ganzen Klasse.
Und dann sagt Otto Scharmer, ja, dann entsteht ein Resonanzraum, und diesen Resonanzraum wird dann lehren und lernen, das wechselt sich ab. Indem ich empathisch einem Schüler zuhöre, lerne ich ja auch was. So eine Aufgabe, wo wir vielleicht alle noch keine Antwort haben.
Und so können dann die Lehrkräfte mit ihren Lernenden in einem gemeinsamen Prozess, in einem gemeinsamen Resonanzraum, können sie gemeinsam in den Aufgaben arbeiten. Dann wird es für die Lehrer nicht mehr so langweilig und die Schüler fühlen sich viel lebendiger und es ist viel interessanter. Es ist für alle eine bessere Erfahrung, als dass im Grunde Schüler sich überlegen, was ist jetzt die richtige Antwort, die der Lehrer schon weiß.
Also wenn der Lehrer die Antwort auf Fragen weiß, die er den Schülern stellt und die kein Schüler je sich stellen würde, das ist dann ein anstrengender, ein toter, ein schrecklicher Unterricht, wo dann viele Schüler abdriften in ihre Traumwelt.
SILKE WEIß: Ja, ich glaube, da triffst du wirklich den Nagel auf den Kopf, was auch im Zentrum von Lernbegleitung steht, weil das macht ja nur dann Sinn, wenn es überhaupt diesen Raum für die eigene Erforschung gibt. Da entsteht ja erst ein Resonanzraum, wenn nicht klar ist, wie das Ergebnis am Ende sein soll.
Und ich meine, klar, es gibt Dinge, die wir trainieren müssen. Grundrechenarten, Rechtschreibung, so. Und da gibt es ja super Programme, da haben wir ja die letzten 100 Jahre viel Zeit gehabt, wirklich gut didaktisches Material zu entwickeln, wo man so Grundfertigkeiten trainieren kann.
Ich glaube, darum geht es nicht. Ich glaube, Lernbegleitung macht ja dann da Sinn, wo Kinder zumindest ein bisschen Freiraum haben, selbst in eine Problemlösestrategie zu kommen, in so sich eigene Lerninhalte zu erarbeiten, und der Weg ein bisschen freier ist. Wo es nicht nur eine vorgefertigte Lösung und einen vorgefertigten Weg gibt.
Also so würde ich das jetzt sehen, oder?
HELGA BREUNINGER: Alles Projektlernen, Silke. Bei Projektlernen muss das so sein.
SILKE WEIß: Ja, genau. Wir sind ja beide auch gut mit der Margret Raßfeld befreundet und haben die Geburt des Fridays und die Entwicklung mitverfolgt. Das ist ja genau so ein Format, was das eigenständige Lernen einlädt und auch einlädt, als Lehrer in eine neue Rolle zu treten und einfach mit einer neuen Haltung dabei zu sein. Und ich weiß, wie vielen, also wenn die bei uns in der Begleitung sind in der Schulentwicklung, wie schwer das oft Kollegen fällt, da loszulassen und zu sagen, nee, wir geben euch jetzt nicht eine Aufgabe vor und warten so lange, also wir geben vielleicht mal eine Inspiration rein, aber warten irgendwie bis durch die Schüler eine eigene Idee, ein eigener Impuls kommt und begleiten das dann nur, in Anführungszeichen.
Und das zieht dann immer so wenig aus. Was ist denn, merkst du das so, wenn du mit den Menschen arbeitest, dass so dieses Thema so, ja, was mache ich denn dann? Also weil vieles, wo bin ich denn dann was wert?
HELGA BREUNINGER: Das sag ich dir.
SILKE WEIß: Ja, sag mal.
HELGA BREUNINGER: Also ich merke, wenn ich mit dem Kind verbunden bleibe, gerade auch wenn es mal so ein bisschen holprig ist, dann bin ich zum Beispiel ganz wichtig, weil dann ist so in der Resonanz und meine Stimmung, mein ruhiges Atmen, so allein das stärkt das Kind schon. Und dann werde ich wichtig in der Rückmeldung auf der Inhaltsebene. Was und wie melde ich zurück, was da gerade das Kind macht, also was da im Lerngeschehen passiert.
Und dass ich da nicht eben in diese klassische Bewertung komme, das hast du falsch gemacht, oder das müsstest du anders machen, sondern wie komme ich eigentlich in eine konstruktive, sachliche Rückmeldung, aus der heraus der Schüler oder die Schülerin dann selber weitermachen kann. Ohne dass ich das Ergebnis sage, das ist die Kunst. Da bin ich unersetzlich als Lehrer.
Und als Lernbegleiter. Und eigentlich sollten wir dazu erstmal mal so eine Strategie entwickeln, einen Workshop machen, wie man diese Rückmeldungen, dass das Kind wirklich damit arbeiten kann. Das habe ich gemerkt bei den 800 Kindern, mit denen ich gearbeitet habe.
Meine konstruktive, sachliche Rückmeldung, wo immer drin erstmal kommt, was alles schon richtig ist. Was alles stimmt. Und wo ich dann so ein paar Fragen stelle, so die wieder auf die Aufgabe bezogen sind.
Wo die Kinder dann sich inspiriert fühlen, weiter nachzudenken. Wo ich dann, also eine Rückmeldung, die das, was die Stimmigkeit zurückspiegelt und da auch eine Sicherheit schafft. Und dann eher mit ein paar offenen Fragen, anstatt gleich mit Bewertungen.
Das ist echt eine Kunst. Und also das Ziel meiner Rückmeldung soll sein, dass ich den Schüler da absichere, wo er schon gut drauf ist. Und dass ich mit hilfreichen Fragen ihn in die richtige Richtung führe, weil da, wo er vorher eine falsche Strategie gewählt hat.
SILKE WEIß: Ja genau.
HELGA BREUNINGER: Ein paar Metaphern finde oder Beispiele. Ja.
SILKE WEIß: Hast du noch einen Tipp? Für jemand, der sich vielleicht, ich würde mal sagen, im klassischen Lehrerberuf vielleicht so den eigenen Wert vielleicht daran misst, dass wir haben jetzt die Fotosynthese durchgenommen, jetzt schreiben wir eine Klausur und jetzt haben alle Schüler besser als drei geschrieben. Also juhu, ich habe es gut vermittelt. Das ist ja dann oft das, so ich habe die jetzt gut aufs Abi vorbereitet.
Das ist ja das, wo ich dann vielleicht als Lehrerin so meine Bestätigung finde. Und dann das, was du eben beschrieben hast, das ist ja schon der totale Perspektivwechsel. Da geht's ja darum, also da kriege ich ja eine Rückmeldung, ah, ich habe das Kind gut begleitet, die eigenen Antworten zu finden.
Das ist ja fast wie so ein Coach, der da in der Begleitung ist. Hast du einen Tipp für Menschen, für Lehrer, die so in der Umstellung sind? Wie gelingt dieser Perspektivwechsel? Weil ich kann mir vorstellen, dass es nicht so einfach ist, aus dem einen rauszutreten und sich in dieser neuen Rolle zu verorten.
HELGA BREUNINGER: Also ich habe für mich eine Notfallstrategie, ich falle ja auch da immer wieder raus.
Wenn ich so früher mit meinem, wie Michael Schratt sagen würde, so lehrseitig mit der Aufgabe verbunden bin, wo ich dann auch schon das Ergebnis weiß, und da kommt bei den Kindern was ganz anderes raus. Und dann merke ich, dass ich so eigentlich schon in der Bewertung bin. Wenn ich dann merke, wie ich in die Bewertung falle, dann habe ich meine Notfallstrategie, die heißt LIA.
LIA L-I-A
Ich lächle. Mit Lächeln verbinde ich mich wieder und wenn die Kinder mich angucken und Frau Breuninger lächelt, dann ist schon alles in Ordnung. Das signalisiere ich ja auch ganz viel mit meinem Lächeln.
Entspannung. Dann das I steht für Innehalten. Ich mache jetzt mal eine Pause.
Ich war viel zu schnell vorher. Mit der Bewertung bin ich immer zu schnell. Lächeln, Innehalten und Atmen.
Was könnte Atmen sein? A ist Atmen. Dann gehe ich ins Atmen. Also Lächeln, Innehalten und Atmen.
Und mit Atmen gehe ich meistens so ein Stück zurück. Dann wird der Raum wieder größer. Und wenn das nicht gereicht hat, dann mache ich es nochmal.
Lächeln, Innehalten, Atmen. Das beruhigt mich unglaublich und verbindet mich wahnsinnig mit dem Schüler, mit der Schülerin. Das ist meine Notfallstrategie, um mich aus dieser Bewertung, wo ich immer galoppierend zu schnell bin, wieder ein Stück zurückhole.
Und in die Verbindung bringe. Und dann auch lieb zu mir selber bin. Wenn ich merke, ich habe bewertet, ich war zu schnell, bin ich freundlich zu mir.
Kann mir auch mal passieren. Und dann kommt wieder LIA. Lächeln, Innehalten, Atmen.
Und schon geht es weiter. Das Tolle ist an Schülern, dass die ja an nichts krumm nehmen. Oft entschuldigt ihn mich auch, sage ich.
Oder war ich jetzt gerade zu schnell? Wenn man sich entschuldigt und wenn man diese LIA-Übung für sich immer macht, kann gar nichts passieren. Dann kooperieren die Kinder wieder mit einem und die sind so unterstützend. Und wenn man dann mal diese Beziehung mit Kindern gefunden hat, dass die einen so selber unterstützen, dann werde ich auch immer entspannter.
Dann ist es wirklich auf Augenhöhe. Das bedingt sich dann gegenseitig. Ja, schön.
SILKE WEIß: Das war jetzt nochmal ein schöner Tipp mit der LIA. Ja, erstmal danke für deine Impulse, liebe Helga. Wird es mal so ein Moment.
Wir können ja alle mal so ein bisschen das sacken lassen. Mal nachspüren und mal lächeln, innehalten und atmen. Das haben wir jetzt gerade gelernt.
Und damit würde ich erstmal ein ganz, ganz großes Dankeschön an dich sagen, lieber Helga, dass du bei uns warst und hier deine Impulse hier reingegeben hast und die Inspirationen. Und deinen Potenzialblick, der so ganz anschaulich mitgegeben hast. Ja, vielen Dank für die Einladung.
HELGA BREUNINGER: Es hat mir wie immer viel Freude gemacht, mit dir zusammenzuarbeiten, liebe Silke. Dankeschön. Tschüss.
SILKE WEIß: Tschüss.
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